"Der Gaul hat keine Lust zum Reiten, der zickt schon beim Satteln rum!"

Falsch! Abwehrendes Verhalten beim Satteln ist immer ein Warnzeichen, dass mit dem Sattel oder der Art des Sattelns (z.B. zu schnelles angurten, auf den Rücken werfen etc.) etwas nicht stimmt.

 

Aber: viele Pferde haben ein elefantöses Schmerzgedächtnis! Selbst wenn der Sattel super passt und der Reiter achtsam sattelt, kann es sein, dass das Pferd zickt, weil es sich an fühere Unannehmlichkeiten und Schmerzen erinnert!

 

Abklären lassen sollte man es definitiv.

"Das Pferd ist störrisch und bockig!"

Macht es Probleme beim Reiten, wie bocken, steigen, weigert sich, sich zu biegen, tritt nicht unter, will sich nicht fallen lassen oder versammeln, läuft mit kurzen tritten, drückt den Rücken weg etc.?

 

Selbst wenn Du noch kein sehr guter Reiter bist: mach es Deinem Pferd einfacher mit einem passenden Sattel. Viele dieser Verhaltensweisen zeigen sich auch bei guten Reitern aufgrund eines unpassenden Sattels. Bedenke, dass dieser nicht nur in der Bewegung behindert, sondern oftmals echte Schmerzen verursacht! Pferde haben jedoch keine Schmerzlaute, daher bleiben ihnen nur solche Wege, ihr Unbehagen zu zeigen und sich vom Schmerz zu befreien!

"Es hat sich eine gute Sattellage ausgebildet!"

... gemeint mit der vermeintlich guten Sattellage sind meist (tiefe) Kuhlen hinter dem Schulterblatt - sie geben dem Sattel prima Halt, verhindern ein nach vorne rutschen des Sattels...

 

IRRTUM! Diese Kuhlen sind keine Sattellage, sondern atrophierte, also zurückgebildete Muskeln! Und ein Hinweis darauf, dass der Sattel viel zu eng ist, keinerlei Schulterfreiheit lässt. Diese Kuhlen sind unter Schmerzen entstanden und dürfen keinesfalls weiter "kultiviert" werden. Hier muss ein gutes Konzept her, dass sich die Muskeln wieder bilden können! Es bleibt zu hoffen, dass der Schulterblattknorpel noch keinen Schaden genommen hat.

"Alle Westernsättel sind zu lang!"

Auch nicht korrekt. Wichtig ist aber bei Westernsätteln, wie bei allen anderen Sätteln auch:

 

  • Der Beginn des Baums / der Polster / Trachten / Panels muss immer HINTER dem Schulterblatt sein. Nicht weiter vorne satteln! Das wird vor allem bei Westernsätteln gerne falsch gemacht!
  • Auch Westernsattelbäume müssen Freiheit in Widerristbereich, Schulterbereich und Lendenwirbelbereich gewährleisten! Der Baum darf hinter dem 18 Brustwirbel nicht mehr belasten.
  • Die Skirts leiten das Reitergewicht etwas ab, sorgen also für eine größere Gewichtsverteilung. Sie sollten jedoch ebenfalls nicht in die Wirbelsäule drücken und ebenso nicht zu lang sein, so dass sie bei einer Biegung in die Beckenknochen stoßen würden. Oftmals sind die Skirts hinten mit einander verflochten. Diese Flechtungen drücken unter dem Reiter auch durch die Pads schnell auf die Wirbelsäule durch! Die Folge können Knochenzuwucherungen sein, schmerzhaft ist es allemal für die Pferde!

"Satteldecken und Pads brauchen nicht anatomisch ausgeformt sein!"

Darüber habe ich mich als Kind schon gewundert: Wie kann sowas passen und keinen Druckschmerz verursachen??? Und? Richtig, geht nicht!

 

Beim Kauf einer Sattelunterlage ist unbedingt darauf zu achten, dass sie ausreichend für das jew. Pferd anatomisch ausgeformt ist, sich genügend beim Satteln einkammern lässt und NIEMALS auf die Wirbelsäule und auch nicht auf den Widerrist drückt! Das gilt ganz besonders für Westernpads. Es ist erschreckend, dass es diese gerade geschnittenen Dinger immer noch gibt - nein, dass die anatomisch ausgeformten Pads oft gar nicht so einfach zu bekommen sind! Bei Westernpads ist zudem darauf zu achten, dass sie gut fest und dick genug sind, denn sie ersetzen quasi die Polster des englischen Sattels, die den scharfen Druck zw. Pferd und Baum mindern. Besonders gut geeignet sind hier hochwertige, feste Filzpads und Codelpads.

 

Die Sattelunterlage sollte immer so lang sein, dass keine Nähte, Zierkordeln (Achtung: auch in der Gurtlage keine Zierkordeln!) umgestepptes Lammfell oder ähnliches unter dem Sattel liegen! Vorsicht mit "Aussparungen" jeder Art: An deren Rändern dieser Aussparungen entsteht dann oft der Satteldruck! Immer gilt: zusätzliche Einlagen sollten fließend "weg laufen", so dass keine Kanten an den plötzlichen Übergängen drücken. Das gilt auch für Material, dass sich zusammen pressen lässt.

 

Zu lange Unterlagen sind ebenfalls zu vermeiden, um die Wärmeableitung der Haut geringst möglich zu behindern.

 

"Der Sattel passt - sie können nur nicht reiten!"

Schlechte Nachrichten. Ich wollte es lange selbst nicht wahr haben. Aber nach 2,5 Jahren der Sattelanpassung muss ich es endlich doch einsehen: Es ist was dran an dem obigen Ausspruch.

 

Ich erlebe immer wieder, wie sehr eine Sattelanprobe steht und fällt mit dem Können des Reiters. Kritiker würden - wie ich es auch einst getan habe - nun äußern, dass ja hinlänglich bekannt ist, dass ein guter Reiter einen schlecht passenden Sattel hübsch reiten kann.

 

Meine Beobachtungen gehen jedoch dahin, dass eine Passformalayse von einem schlechten Reiter massiv verfälscht werden kann.

 

Beispiel: 2 Reiter, die das Pferd schon lange und gut kennen, einer reitet mäßig, der andere schon ziemlich gut. Beide probieren am selben Tag den selben Sattel mit der selben Anpassung aus, direkt hintereinander weg und im mehrfachen Wechsel (um den Faktor "warm gerittenes Pferd" wieder rausrechnen zu können). Es ist ausnahmslos das selbe Bild: Wenn der Sattel für das Pferd eine echte Verbesserung darstellt, äußert sich der bessere Reiter super spontan direkt beim Reiten über die positiven Veränderungen, während der schlechtere Reiter ggf. mit der neuen Situation manchmal nicht gut klar kommt (stört sich an anderem Sitzgefühl, wird von dem Plus an Schwung, dass das Pferd durch die neue Bewegungsfreiheit zeigt, aus der Balance gebracht und stört damit das Pferd, so dass dieses sein Unwohlsein ausdrückt - aber nicht über den Sattel, sondern über den Balanceverlust etc.).

 

Fazit: Wenn Du also kein besonders starker Reiter bist und für Dein Pferd einen neuen Sattel suchst oder eine Passform am gerittenen Pferd überprüfen willst, lade einen guten Reiter dazu ein, der möglichst das Pferd vorher mind. ein paar mal geritten ist und seine Eigenheiten kenenn gelernt hat. Es ist leider tatsächlich wahr, dass es diesen Unterschied gibt.

 

Die Frage ist oftmals: Und nun? Der Sattel soll ja schließlich für den - in diesem Beispiel - schlechteren Reiter angeschafft / angepasst werden. Hier hilft nur eine klare Analyse: Was ist das wahre Problem. Denn wenn man das Problem identifiziert hat, kann man es abstellen. Ist es ein Balanceverlust, ist dieser über ein geeignetes Training leicht wieder zu erlangen und sogar deutlich zu verbessern! Ist es, weil der Sattel ein Close-Contact-Sattel ist und das Pferd zu viele der noch indifferenten oder unbeholfenen Signale von oben bekommt (Close-Contact-Sättel erfordern mehr Präzision beim Reiten, weil das Pferd den Reiter viel unmittelbarer spürt), hilft ggf. vorübergehend ein Lammfell, um den Sattel etwas indirekter zu machen UND unbedingt: guter Unterricht.

 

Probiert selbst: Was passiert, wenn ich einen Sattel auf den Schoß nehme (Hinterzwiesel zum Bauch zeigend), meine Beine so hinstelle, dass der Sattel im Schwerpunkt lieg, dann einen Reiter drauf setze und dieser ein paar Sitzfehler macht (krummen Rücken, im Stuhlsitz sitzend, Beine nicht unter dem Lot, nach hinten lehnen, nach vorne lehnen, Kopf sinken lassen, Hände fallen lassen, in der Hüfte einknicken, Kopf und oder Oberkörper verdrehen, ohne das Becken mit zu nehmen etc.) - wie deutlich ist das spürbar? Krass, nicht wahr? Kein Wunder, dass die Pferde schon bei geringen Passformfehlern (Schwerpunkt, nach links oder rechts verschoben) und bei Sitzfehlern schon reagieren. Starke Reiter können das bis zum gewissen Punkt kompensieren (was nicht Sinn der Sache ist!!! Es sollte immer korrekt angepasst sein), bei schwächeren Reitern kann die Unzufriedenheit des Pferdes aber genau so gut ein Sitzfehler etc. sein. Das gilt es zu unterscheiden!